Lasst die Menschen an ihre Daten!Unter dem Label „Gaia-X“ entsteht in Europa eine sichere, souveräne und offene Dateninfrastruktur. Dieser Ansatz kann der Nutzung von Gesundheitsdaten zum Durchbruch verhelfen.

14.08.2023
Der Bedarf an Cloud-Infrastrukturen für Online-Dienste aller Art steigt Jahr um Jahr. „Es gibt in diesem Bereich ein riesiges Marktpotenzial, das wir in Deutschland und Europa nicht nutzen“, sagt Jan Fischer, Koordinator des Gaia-X Hubs Deutschland.

Das Wichtigste in Kürze – Erfahren Sie mehr über Gaia-X in den Kurzvideos

Was ist Gaia-X?

Jan Fischer über das Ziel der Initiative

Wie soll das funktionieren?

Harald Wagener über den Hintergrund des Projektes

Welchen Mehrwert bietet Gaia-X?

Bruno Ristock über den Mehrwert von Gaia-X

Was bringt Siemens Healthineers mit ein?

Christian Kaiser über den Beitrag von Siemens Healthineers zur Initiative

Gaia-X soll die Antwort der EU auf die digitalen Defizite werden. Übergeordnetes Ziel ist ein Ökosystem aus vernetzten Datenräumen, das Daten unter Einhaltung der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) mit Hilfe von Standards und offenen Schnittstellen verknüpft. Die Gaia-X Datenräume sollen in ganz unterschiedlichen Branchen entstehen, und entsprechend gliedert sich die Initiative in diverse Domänen. Eine davon ist das Gesundheitswesen. In Deutschland wurde 2021 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ein Förderwettbewerb ins Leben gerufen, um in den unterschiedlichen Gaia-X Domänen konkrete Anwendungsbeispiele zu entwickeln. Sie sollen zeigen, wie sich Datenräume im Gaia-X-Ökosystem technologisch umsetzen lassen und wie dadurch gesellschaftliche Akzeptanz geschaffen werden kann.

Insgesamt wurden 130 Projektskizzen für den Wettbewerb eingereicht, elf wurden akzeptiert, und zwei davon betreffen direkt das Gesundheitswesen. Das erstaunt nicht, denn gerade im Gesundheitswesen ist gesellschaftliche Akzeptanz beim Umgang mit digitalen Daten ein ganz zentrales Thema: „Eine aktuelle Umfrage aus dem Jahr 2023 des IT-Branchenverbands BITKOM zeigt, dass 47 Prozent der befragten Unternehmensvertreter die Sorge haben, dass Daten gegen ihren Willen genutzt werden“, so Fischer. Die beiden gesundheitsbezogenen Förderprojekte des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz im Gaia-X Ökosystem heißen TEAM-X und Health-X dataLOFT. An beiden ist Siemens Healthineers als Konsortialpartner beteiligt. Das Unternehmen bringt sich konkret mit seiner Gesundheitsdatenplattform teamplay digital health platform connect ein.

TEAM-X wird geleitet von Bayern Innovativ und zielt auf die Etablierung eines menschzentrierten Datenökosystems. Die Anwendungsfälle sind Brustkrebsversorgung und Altenpflege. Das Projekt Health-X dataLOFT des Berlin Institute of Health (BIH) der Charité Berlin konzentriert sich auf die Anwendungsfälle Alltagsgesundheit, klinische Begleitung bei Krebs, Sekundärnutzung von Daten für die Forschung und personalisierte Gesundheitsdienste. Beide Projekte wollen den Einzelnen souveräne Entscheidungen darüber ermöglichen, was mit den eigenen Gesundheitsdaten geschieht. Geredet wird über diese „Patientensouveränität“ schon lange, Stichwort elektronische Patientenakte. Aber bis heute ist es nicht gelungen, substanziell voranzukommen.

Im Kern gehe es darum, dass Bürgerinnen und Bürger als gleichberechtigte Partner*innen selbstbestimmt entscheiden, mit wem sie ihre persönlichen Daten zu welchem Zweck teilen, so Harald Wagener vom Health-X Projekt. Das erfordere insbesondere eine feingranulare Zugriffskontrolle. Sie erlaubt es, auf hohem Detail-Level festzulegen, wofür die Gesundheitsdaten genutzt werden dürfen bzw. wem sie für die Forschung „gespendet“ werden. Diese Datensouveränität bis ins Detail sei aber nicht als ein Muss zu verstehen, sagte Prof. Martin Gersch vom Department Wirtschaftsinformatik der FU Berlin. Er kann sich gut vorstellen, dass künftig Communities von Patient*innen in gewissen Konstellationen die Aufgabe eines Datentreuhänders im Auftrag der Bürger*innen erfüllen: „Wir schaffen mit den neuen Datenräumen die technologische Basis für solche neuen Formen des Umgangs mit Daten.“

Wie lässt sich Datensouveränität technisch umsetzen? Health-X und Team-X wollen hier mit einem mobilen Cockpit oder „Wallet“ arbeiten. Es ist der virtuelle Ort, an dem Bürgerinnen und Bürger ihre Datensouveränität konkret ausüben können. Wichtig sind außerdem Standards sowohl für die Datenübertragung als auch die inhaltliche Abbildung der Daten. Hier kommt Siemens Healthineers mit der teamplay digital health platform connect ins Spiel. Die Lösung kann diese technische und semantische Interoperabilität bieten. Und sie erlaubt es unterschiedlichen Akteuren, Anwendungen zur Verfügung zu stellen, die die persönlichen Gesundheitsdaten in der sicheren Umgebung nutzen.

Aber auch die Politik muss ihre Hausaufgaben machen: „Es fehlt immer noch an der nötigen Gesetzgebung“, betont Prof. Dr. Roland Eils vom BIH. „Werden die Rahmenbedingungen nicht festlegt, macht jeder was er will, und es entstehen Datensilos mit hohen Zäunen drumherum.“ Als eine Art Leitplanke für die Politik wurden im Rahmen des Team-X Projekts von der gemeinnützigen Initiative Identity Valley so genannte Digital Responsibility Goals (DRG) formuliert. Der Name ist nicht zufällig begrifflich angelehnt an die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen. Die DRGs umfassen sieben Leitkriterien von „Digitale Kompetenz“ über „Datenfairness“ bis „Transparenz“. Sie sollen einen Orientierungsrahmen für die regionale und überregionale Gesetzgebung bieten.