Todesfälle werden verhindert, teure Therapien eingespart
Das Lungenkrebs-Screening mittels Computertomographie mit niedriger Strahlendosis („Low-Dose-CT“) ist keine fixe Idee mehr, sondern in Ländern wie den USA, Polen, Großbritannien und Kroatien gelebte Versorgungsrealität. Mit sehr guter Evidenz, wie Prof. Dr. Jens Vogel-Claussen, Stellvertretender Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), betont: „Wir haben mittlerweile acht große, randomisierte Studien und massenhaft Real-World-Daten vor allem aus den USA. Wir haben eine klare Empfehlung der Fachgesellschaften und der Leitlinien und ein positives Votum des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IQWiG. Mehr Evidenz werden wir nicht bekommen.“
Medizinisch haben klinische Studien wie die hochrangig publizierte NELSON-Studie gezeigt, dass sich die Sterblichkeit an Lungenkrebs durch das CT-Screening bei Hochrisikopatient*innen um etwa ein Viertel senken lässt. Aber es gibt nicht nur klinische, sondern auch ökonomische Daten, und zwar im Kontext des deutschen Gesundheitswesens: „Zwei Studien in Hannover und Hamburg besagen, dass die Kosten für das Screening unter dem liegen, was wir in späteren Phasen für die Therapie ausgeben müssten“, so Vogel-Claussen.Drei Faktoren für den Screening-Erfolg
Die Wissenschaftler*innen um Vogel-Claussen haben insbesondere drei Faktoren identifiziert, die dazu beitragen, dass das Screening ein Erfolg wird. Sehr gute Erfahrungen macht die HANSE-Studie mit einem personalisierten Anschreiben in Verbindung mit einem leicht zugänglichen, einfach zu nutzenden Webportal: „Dort können sich die Teilnehmer*innen anmelden und ein Risiko-Assessment durchführen, das der Pneumologe oder die Pneumologin vor Ort dann noch einmal überprüft. Sie können außerdem gleich einen Screening-Termin vereinbaren“, so Vogel-Claussen.
Zweiter Erfolgsfaktor ist die CT-Infrastruktur, die in ausreichender Menge zur Verfügung stehen muss. Die fest installierten CT-Geräte in den Krankenhäusern und radiologischen Zentren reichten für ein effizientes High-Volume-Screening nicht aus, betont der Radiologe: „Wir nutzen deswegen einen CT-Truck, der zusätzliche Kapazitäten schafft, unterversorgte Regionen ansteuern kann und die Qualität des Niedrig-Dosis-CTs konstant hält.“
Mindestens genauso wichtig sei schließlich eine Datenplattform mit einheitlicher Software, die die Bilddatensätze mit künstlicher Intelligenz standardisiert aufbereitet: „Wenn wir als Radiolog*innen an der Workstation sind, dann sollten die potenziellen Knötchen nicht nur detektiert sein. Sie sollten auch volumetriert und entsprechend den Vorgaben des jeweiligen Screening-Programms kategorisiert sein.“ Die automatische Analytik muss auch nicht bei der Lunge enden. So zeigen die HANSE-Erfahrungen, dass sich bei etwa der Hälfte der Patient*innen als Nebenbefund ein positiver Kalk-Score der Herzkranzgefäße findet, der ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko anzeigt. Das ist für die Patient*innen eine wichtige Information, die einen Lungenkrebs-Screening gleich mitliefern könnte.
Patient*innenseite plädiert für nicht zu strenge Indikationsstellung
„Wir diskutieren nicht mehr das Ob, sondern nur noch das Wie“
Wir reden also selbst unter optimalen Bedingungen frühestens vom Jahr 2024 – spät, angesichts dessen, dass die deutschen Leitlinien ein Screening von Risikopatient*innen schon seit 2017 empfehlen. Für Vogel-Claussen ist das Glas dennoch eher halb voll als halb leer: „Wir diskutieren nicht mehr, ob wir ein Screening einführen, sondern nur noch, wie wir es genau umsetzen. Die Fachgesellschaften müssen jetzt vertrauensvoll mit dem G-BA zusammenarbeiten, um ein maximal effizientes Programm zu ermöglichen – jenseits von allem Standesdünkel.“
Seitens der Politik signalisiert der Bundestagsabgeordnete und Gesundheitsexperte Prof. Dr. Andrew Ullmann (FDP) Unterstützung: Die Ampel-Koalition habe die Prävention im Koalitionsvertrag weit nach vorn gerückt, und das Lungenkrebs-Screening gliedere sich hier sehr gut ein: „Wir wollen Gesundheit betrachten, und nicht nur Krankheit“, fasst Ullmann das gesundheitspolitische Credo der Bundesregierung zusammen. Und worum, wenn nicht darum, geht es beim Lungenkrebs-Screening?