Onkologie

Früherkennung muss niederschwellig angeboten werden

Die Einführung von Lungenkrebs-Screening-Programmen bietet Chancen. Sehen Sie sich einen echten Patientenfall im Deutschen Museum in München, Deutschland, an.

7min
Andrea Lutz
Veröffentlicht am August 24, 2022

Professor Claus Peter Heußel ist Chefarzt für Diagnostische und Interventionelle Radiologie mit Nuklearmedizin an der Thoraxklinik der Universitätsklinik Heidelberg. Zur neuen Ausstellung „Gesundheit“ im Deutschen Museum München hat er den gut dokumentierten Fall einer Patientin beigesteuert.

Heußel: Die Museumsbesucher*innen sollen nachvollziehen können, wie schwer es ist, Krebs in der Lunge in einem frühen Stadium zu finden. Ich arbeite eng mit Professor Heinz-Peter Schlemmer, Leiter der Radiologie im Deutschen Krebsforschungszentrum, zusammen – auch im Rahmen der LUSI-Studie in Heidelberg. Die Patient*innen aus der LUSI-Studie wurden hier in der größten europäischen Lungenfachklinik operiert. Deshalb haben wir einen Fundus mit sehr gut dokumentierten Verläufen. Für das Deutsche Museum habe ich einen Fall aus dem täglichen Leben herausgesucht und mit Einverständnis der Patientin aufbereitet.

Eine am DKFZ laufende Studie mit dem Ziel, Methoden für eine frühzeitige Diagnose von Lungenkrebs zu entwickeln und damit die Heilungschancen zu verbessern. Die Abkürzung LUSI steht dabei für „Lung tumor screening and intervention trial“.

Heußel: Als Hochrisikogruppen gelten Raucher oder Ex-Raucher im Korridor von 50 bis 75 Jahren. Nur in diesem Kollektiv macht die Früherkennung Sinn. Und hier müssen wir unterscheiden zwischen der individuellen Sorge und den Folgen für die Gesellschaft. Das Problem dabei ist, dass wir mit der CT häufig mehrere Rundherde finden, die kein Lungenkrebs sind. Die Abklärung der gefundenen Rundherde erfolgt im Rahmen einer Operation. Und diese verursacht Kosten, mitunter auch Schmerzen für die Patient*innen. Um diese Belastung klein zu halten, sollten solche Operationen nur in einem Zentrum mit sehr erfahrenen Leuten durchgeführt werden.

Heußel: Ein großes Problem bei der Einführung von europäischen Screening-Programmen ist, dass nicht sehr viele von den geeigneten Risikopatienten auch teilnehmen. Das Bundesamt geht von Zahlen zwischen 5 und 50 Prozent aus. Um die Anzahl der Teilnehmer zu steigern, muss es niederschwellig angeboten werden. Darum ist es richtig, was in Manchester gemacht wird. Und die HANSE-Studie bietet das auch hier bei uns in Norddeutschland an.

Was ist die Hanse-Studie? Seit Juli 2021 lädt die Medizinische Hochschule Hannover (Ex -) Raucher*innen zwischen 55 bis 79 Jahren zum Lungencheck ein. Voraussetzung: Ein erhöhtes Risikoprofil für Lungenkrebs.

Heußel: Eine Früherkennung mit ionisierender Strahlung ist auch in Deutschland grundsätzlich zulässig, muss aber beantragt werden. Das Bundesministerium für Umweltschutz, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz hat dafür eine Ausführungsbestimmung erarbeitet und die wird einen rechtlichen Rahmen dafür vorgeben. Es muss dann noch bestimmt werden, wie es bezahlt wird.
Heußel: Es gibt zehn Wege, wie man Lungenkrebs verhindern kann: Nicht rauchen, nicht rauchen, nicht rauchen…und so weiter. Jedes Organ kann potenziell ein Karzinom entwickeln, aber viel seltener wird die Lunge befallen, wenn man nicht raucht.
Heußel: Lungenkrebs lässt sich fast nur heilen, indem man ihn chirurgisch entfernt. Aber dazu muss er so früh aufgespürt werden, dass er sich noch nicht auf die anderen Organe ausgebreitet hat. Die Lunge ist aufgebaut wie ein Baum: Wir haben vier große Äste und können nicht viel herausschneiden. Das geht nur, wenn der Krebs ganz klein ist – aber genau dann spürt man noch nichts davon. Patient*innen bemerken häufig erst Symptome, wenn der Krebs Nachbarstrukturen befallen hat.
Wir müssen alle gefundenen Herde im Verlauf beurteilen und messen, wie sie sich verändert haben. Und das ist gar nicht so banal, denn das Volumen muss gemessen werden. Da brauchen wir Softwareunterstützung! Die Software ist verschiedenartig – häufig wird künstliche Intelligenz eingesetzt, die mit 97prozentiger Genauigkeit voraussagt, wie wahrscheinlich ein bestimmter Herd gut- oder bösartig ist. Das ist besser als ich es könnte.

Von Andrea Lutz
Andrea Lutz ist Journalistin und Business-Trainerin mit den Schwerpunkten Medizin, Technik und Healthcare IT. Sie lebt in Nürnberg, Deutschland.