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Generative KI erleichtert radiologische Befundung
Jüngste Durchbrüche im Einsatz von künstlicher Intelligenz verändern nicht nur unseren Alltag, sondern sorgen auch für einen Umbruch in der Medizin.
Künstliche Intelligenz beeinflusst nicht nur wie wir kommunizieren und mit unserer Umwelt in Verbindung treten, sondern auch die Radiologie. Lernen Sie mehr über sogenannte generative künstliche Intelligenz und erfahren Sie im Interview mit Dr. Haubold, Oberarzt für klinische KI-Integration am Universitätsklinikum Essen in Deutschland, wie sie schon heute klinische Abläufe verändert.
Generative künstliche Intelligenz komponiert, malt und schreibt Romane
Generative KI – Ein Überblick
Leistungsstarke Unterstützung in der Radiologie
Generative KI-Modelle decken ein großes Set an Aufgaben ab, entwickeln sich beständig weiter und einmal etabliert, lernen sie schnell – Large Language Models bzw. neuronale Netze werden zunehmend in Medizin und Forschung eingesetzt und spielen dort ihre Stärken aus. So hilft generative KI beispielsweise bei der Entwicklung von Arzneimitteln: Indem sie molekulare Strukturen verschiedener Inhaltsstoffe und deren chemischen Verhalten errechnen, kombinieren neuronale Netze pharmazeutische Inhaltsstoffe auf spezielle Weise, um deren Wirksamkeit zu verbessern. [1]
Doch nicht nur in der Pharmazie, sondern auch in der Radiologie verändert generative KI die Arbeitsweise und hilft bei der Detektion und Segmentierung von radiologischen Bilddaten oder verbessert die Bildqualität. Die Technologie steht noch am Anfang, und doch zeigen erste Prototypen großes Potential, um Radiolog*innen künftig bei ihrer Arbeit zu unterstützen, sagt PD Dr. Johannes Haubold, Bereichsleitender Oberarzt für klinische KI-Integration am Universitätsklinikum Essen, Deutschland. Er leitet eine Arbeitsgruppe deren Ziel es ist, eine Brücke zwischen künstlicher Intelligenz und klinischer Routine zu schlagen, um neueste Entwicklungen frühzeitig in die Praxis zu integrieren.
PD Dr. Johannes Haubold
Das Potential generativer KI in der Radiologie mit Dr. Johannes Haubold
Welche Anwendungsfelder gibt es für generative KI und wo liegen deren Vorteile in der Radiologie?
Generative KI, gerade in Form von Large Language Models, können uns bei verschiedenen Aufgaben unterstützen. Wir arbeiten beispielsweise daran eine Schnittstelle mit einer Datenbank zu erstellen, um so mit ihr interagieren und kommunizieren zu können. Bereits heute können wir Hunderte von Datenbanken mit Informationen über Patient*innen und Krankheiten durchsuchen und erhalten die Informationen übersichtlich aufbereitet. Somit können wir beispielsweise sehr leicht ähnliche Krankheitsverläufe heraussuchen, um aus ihnen zu lernen und besser zu behandeln. Manches ist noch eine Vision, aber mit großen Sprachmodellen werden solche Szenarien denkbar.
Es funktioniert also im Grunde wie ChatGPT – Sie fragen das Netzwerk: „ Kannst du mir die Krankengeschichte dieses Patienten und den dazugehörigen Gesundheitszustand zeigen?"
Das hängt von der Art des Large Language Models ab. Die Modelle, die wir am Universitätsklinikum Essen entwickeln, funktionieren im Grunde wie ein Chat-System. Sie geben an wonach Sie suchen, und der Algorithmus liefert Ihnen diese Information. Doch er tut noch mehr: Er zeigt auch, welche Daten zur Beantwortung der Fragestellung genutzt wurden. Das ist besonders wichtig, um die Qualität der Ergebnisse zu prüfen. Aber Qualitätskontrolle ist ohnehin ein sehr, sehr bedeutsames Thema, wenn man mit Large Language Models arbeitet – besonders in der Medizin.
Interessant, dass Sie Qualitätskontrolle ansprechen. „ChatGPT diagnostizierte die mysteriöse Krankheit eines Vierjährigen korrekt, nachdem 17 Ärzte versagt hatten“ – das war eine Schlagzeile, die Ende September 2023 in den USA veröffentlicht wurde und dort einige Beachtung fand. Wie zuverlässig ist generative KI oder gibt es sogar Gefahren, gerade im medizinischen Einsatz?
Ich denke, dass solche Schlagzeilen bei jeder neuen Technologie auftauchen – man lotet die Grenzen aus. Large Language Models wie ChatGPT sind eine sehr interessante Entwicklung, die uns erlaubt Dinge zu tun, die vorher nicht denkbar waren. Dennoch gibt es Gefahren beim Einsatz der Technologie, insbesondere beim Thema Qualitätskontrolle. Ein Beispiel: Wenn Sie ChatGPT anweisen eine Einführung für einen Artikel zu schreiben, erhalten Sie auf Nachfrage auch die jeweiligen Quellenangaben. Sie können das Programm jetzt fragen, ob die Referenzen echt sind. ChatGPT wird es bestätigen und die entsprechenden Quellen ausweisen. Bei genauerem Hinsehen stellen Sie jedoch fest, dass die Publikationen, auf die sich der Algorithmus bezieht, nicht existieren. Sie werden vergeblich suchen. Im medizinischen Bereich kann das gefährlich sein. Deshalb ist es immens wichtig eine Art von Qualitätsprüfung zu hinterlegen, um diese sogenannten Halluzinationen im Keim zu ersticken.
Können Sie uns einmal durch den Prozess führen, wie ein neuer Algorithmus am Universitätsklinikum entsteht?
Am Anfang einer jeden Entwicklung sollte der klinische Bedarf im Mittelpunkt stehen – sprich: Was ist die genaue Fragestellung oder die Lücke, die der Algorithmus schließen soll? Dann klären wir im nächsten Schritt ethische Regulatorien, denn wir müssen bei der Erstellung des Algorithmus auf große Datenmengen zugreifen. Erst danach machen wir uns daran die Datenkollektive in anonymisierter Form zusammen zu tragen, die der Algorithmus braucht, um für seine spezielle Aufgabe lernen zu können. Um solche Daten zu finden, ist Datenintegration unerlässlich. In Essen steht dafür ein riesiger FHIR-Server, auf dem alle Informationen zusammenlaufen – das macht es uns einfach an strukturierte Daten zu gelangen. Anschließend überlegen wir, welcher Algorithmus die Fragestellung am besten beantworten kann. Meist nutzen wir frei zugängliche Netzwerke und passen sie an unsere Bedürfnisse an. Oft trainieren wir zu Beginn mehrere Algorithmen simultan und vergleichen sie im Anschluss miteinander, um den effizientesten auszumachen. Nach dem Training durchläuft der Algorithmus verschiedene Testphasen, idealerweise in Kollaboration mit anderen Forschungseinrichtungen, ehe wir den Algorithmus in die klinische Routine integrieren. Letztlich evaluieren wir den klinischen Nutzen und schauen, ob es irgendwelche Dinge gibt, die wir anpassen müssen.
In Kollaboration mit Siemens Healthineers entsteht ein Prototyp zur Evaluation und Weiterentwicklung eines Softwareassistenten für die radiologische Befundung. Worum geht es bei diesem Projekt?
Wir entwickeln derzeit gemeinsam zwei verschiedene Algorithmen – beides sind Large Language Models. Einer der Algorithmen ist – vereinfacht gesagt – in der Lage, klinische Fragen zum Gesundheitszustand von Patient*innen zu beantworten. Der zweite Algorithmus bildet eine Art Brücke zwischen Kommunikation und dem Auffinden von Datensätzen. Dadurch ist es möglich FHIR-Anfragen zu erstellen. Man könnte beispielsweise anweisen: Suche alle Patient*innen, die innerhalb der letzten zwei Jahre ein bestimmtes Medikament erhalten haben und danach eine Nierenschädigung erlitten. Das Large Language Model überträgt diese Fragen, ordnet die entsprechenden Datensätze zu und ermöglicht uns so, große Datensätze mit spezifischen Forschungsfragen zu konfrontieren.
Sie veröffentlichten im Dezember 2019 ein Leitthema in Der Radiologe mit dem Schwerpunkt „Künstliche Intelligenz in der Radiologie – Was ist in den nächsten Jahren zu erwarten?“. Darin gaben Sie einen Ausblick, welche Entwicklungen Sie in den kommenden 5 bis 10 Jahren erwarten. Haben sich einige Ihrer Prognosen bereits bewahrheitet und welche Trends oder Innovationen sehen Sie innerhalb der nächsten fünf Jahre?
In diesem Artikel sprach ich über verschiedene Szenarien und es gab durchaus eine Menge Entwicklungen. Zum Beispiel habe ich über KI gesprochen, die Bildkonvertierung nutzt, um die MR- und Sequenzerstellung zu beschleunigen. Heute gibt es tatsächlich einige Algorithmen, die bereits CE-zertifiziert sind. Zudem hatte ich gehofft, Chat-Systeme und Kommunikation für klinische Berichte nutzen zu können, und das ist etwas, woran wir aktuell arbeiten. Ich bin optimistisch, dass das innerhalb der nächsten fünf Jahre realisierbar ist.
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[1] Vgl. Kirubanandan/Kirubanandan, 2023.
Die hierin enthaltenen Aussagen basieren auf Ergebnissen, die von Siemens HealthineersKunden in deren jeweiligen spezifischen Nutzungsumfeld erzielt wurden. Es ist zu beachten, dass es kein „typisches“ Krankenhaus gibt und die Resultate von verschiedenen Variablen abhängen (wie z.B. der Größe des Krankenhauses, des Behandlungsspektrums, des Grads der IT Integration). Aus diesem Grunde ist nicht gewährleistet, dass andere Kunden dieselben Ergebnisse erzielen werden.