Labordiagnostik

Entlastung im Labor durch Automatisierung

Medizinische Laborant*innen arbeiten hinter den Kulissen, doch ihr Fachwissen ist unerlässlich, um die richtige Therapie zu ermitteln. Jedes Röhrchen hat Auswirkungen auf eine*n Patient*in.
5min
Nadine Meru
Veröffentlicht am July 22, 2024
Die Diagnose und der weitere Behandlungspfad eines erkrankten Menschen hängen von diagnostischen Laborergebnissen ab. Für Patient*innen bedeutet das, dass sie diese Ergebnisse erst abwarten müssen. Deshalb sind Qualität und Schnelligkeit für ein medizinisches Labor ganz wesentlich, doch wie lässt sich das in Zeiten des Fachkräftemangels gewährleisten? Aufgrund des schweren Mangels an zertifizierten Laborant*innen geht das Labor des Swedish Hospitals in Chicago, Illinois, USA innovative Wege, um erfolgreich zu bleiben.

Susan Dawson, laboratory administrative director at Swedish and Skokie Hospitals

Die Verwaltungsleiterin des Labors, Susan Dawson, arbeitet seit über 40 Jahren im medizinischen Laborwesen und hat in dieser Zeit viele Veränderungen miterlebt. Aufgrund ihrer Erfahrung wollte sie schon seit langem ihre Labore automatisieren sowie Rollen und Zuständigkeiten verlagern, um bessere Durchlaufzeiten zu erreichen, Fehler einzudämmen und das technische Personal zu entlasten. Das gelang ihr, als das Krankenhaus begann ein neues System für Laborautomatisierung einführte, das durch erweiterte Kapazitäten und besseres automatisiertes Labormanagement die Produktivität maximiert.

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Zu den Aufgaben der Laborant*innen gehört die Analyse von Körperflüssigkeiten, Zellen, Gewebeproben oder Krankheitserregern. Diese liefern für die klinische Entscheidungsfindung unerlässliche Informationen. 

Laut einer Umfrage unter Fachärzt*innen in Deutschland und den USA basieren 70 % der klinischen Entscheidungen auf Labortestergebnissen.[1] Daher ist es wichtig, qualifizierte Laborant*innen in den klinischen Versorgungsprozess einzubeziehen. Sie verfügen über die notwendigen Kenntnisse, um die Ergebnisse der Laboruntersuchungen zu erfassen, die dann von ärztlicher Seite interpretiert werden. 

In der Praxis wird die Qualität jedoch oft durch eine unzureichende Personalausstattung beeinträchtigt. Nach Angaben des U.S. Bureau of Labor Statistics (BLS) leidet dieses Berufsfeld in den USA im Zeitraum von 2021 bis 2031 je nach Region unter einer Leerstandsrate von sieben Prozent.[2] Diese Zahl klingt nicht besonders dramatisch, hat aber schwerwiegende Auswirkungen auf Arbeitsabläufe und damit möglicherweise auch auf Patient*innen. 

Die Überlastung des verbleibenden Personals führt wiederum zu Stress und birgt so das Risiko einer unannehmbar hohen Fehlerquote. „Das Problem des Fachkräftemangels besteht schon länger. Lange vor COVID-19 mussten wir bereits unsere täglichen Aufgaben dahingehend sortieren, was durch das technische Personal zu bearbeiten ist und was das nicht-technische Personal erledigen kann“, so Dawson.

„Die medizinischen Laborant*innen führen jährlich 1,3 Millionen klinische Tests durch“, erklärt Dawson die Situation in ihrem Labor. Das bedeutet, dass zusätzliche Arbeiten zu unerwünschten Verzögerungen führen können. Also braucht man Hilfspersonal, etwa zur Verarbeitung von Urin- oder anderen Routineproben. Aber es gibt auch einige ebenso wichtige Tätigkeiten, die außerhalb des Labors durchgeführt werden, z. B. Telefonate mit Ärzt*innen, um unkritische Ergebnisse mitzuteilen, das Faxen von Berichten und die Koordination des Probenversands.
Laboratory activities also include telephone calls and computer-aided data evaluations that can be managed by nontechnical staff.

Dazu wurde nichttechnisches Personal eingestellt, um den Laborant*innen endlich die nötige Zeit für ihre eigentliche Laborarbeit zu verschaffen. Solche nichttechnischen Teammitglieder können etwa angehende Medizinstudent*innen oder Phlebotomist*innen sein. Dawson sieht hier Chancen für Synergien: „Unsere Phlebotomist*innen arbeiten bei der Probennahme direkt mit den Patient*innen und sehen aber auch die technische Seite im Labor.“

Phlebotomist*innen sind qualifizierte Ärzt*innen, die das Blut untersuchen, um eine Diagnose für die weitere Behandlung zu finden.

Das Labordiagnoseteam von Dawson ist flexibel und offen für Veränderungen, auch was die Laborprozesse betrifft. „Wir sind immer auf der Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten“, sagt Dawson. Neben all den Veränderungen, die auf Personalseite erreicht werden können, waren auch neue Technologien von Interesse.

„Wir haben bereits vor 20 Jahren unser Labor automatisiert, aber die Technologie entwickelt sich ja weiter. Das Ziel unserer Automatisierungslinie ist, dass wir jedes Röhrchen nur einmal berühren müssen“, sagt Dawson und fügt hinzu: „Wir wollen nicht für den Track (auch: Probentransporttechnik) arbeiten, sondern der Track soll für uns arbeiten. Wir haben uns also verschiedene Möglichkeiten angesehen, wie der Track die Arbeit des technischen Personals vereinfachen kann.“

Susan Dawson is enthusiastic about working with her team, and in the diagnostic laboratory.

Die Installation einer neuen Probentransporttechnik vereinfachte den Workflow im Labor. Das neue System sorgt für schnellere Durchlaufzeiten für bestimmte Assays, eine zuverlässige Problemerkennung bei der Qualitätskontrolle und optimierte Wartung, was lange Wartezeiten vermeidet. Die Software ermöglicht nun eine intelligente Sequenzierung, bei der jede einzelne Probe als Routine-, Notfall- oder volumenkritische Probe erfasst und entsprechend behandelt wird.

So werden beispielsweise Notfallproben automatisch durch eine STAT-Funktion vorgezogen, d. h. sie haben Vorrang vor Routineproben, sodass diese Patient*innen ihre Ergebnisse schneller erhalten. Dawson schätzt auch den so genannten „Parkbereich “, wo die Proben bis zur Freigabe und Validierung ihrer Ergebnisse abgestellt werden. All diese automatisierten Prozessschritte sparen Zeit und reduzieren die Arbeitsbelastung des Laborteams.

Die Investition in moderne Automatisierung und nichttechnisches Personal hat sich für das Labor, das täglich zwischen 1.200 und 1.300 Röhrchen bearbeitet, bereits ausgezahlt. Ob während der ausgelasteten Kernzeiten oder der Nachtschicht, es kommt stets die gleiche Middleware (Software) zum Einsatz. So kann das technische Personal schnell von einem Labor zum anderen wechseln und sicher sein, dass nichts übersehen wird. 

Mit der Automatisierung gelang es Dawson, manuelle Interaktionen zu reduzieren, die Workflows reibungsloser zu gestalten und die Röhrchen von der Transporttechnik befördern zu lassen. „Unser Volumen ist gestiegen und doch hat der Stress abgenommen“, sagt Dawson. 

„Das Labor-Management hat keine Bedenken mehr, dass falsche Ergebnisse durchrutschen könnten. Das führt meiner Meinung nach zu einer besseren Arbeitsmoral. Am besten ermutigt man ein Team, Wandel positiv anzunehmen, indem man Fehler realistisch sieht und keine Perfektion erwartet.“ Das Personal kann sich auf das Hauptziel konzentrieren und so effizient hochwertige Ergebnisse zum Wohle der Patient*innen erzielen. Denn das Mantra des Labors lautet: „Jedes Röhrchen hat Auswirkungen auf eine*n Patient*in.“


Von Nadine Meru
Nadine Meru, Dr. rer. nat., hat in Biologie promoviert und arbeitet als Redakteurin bei Siemens Healthineers. Sie hat sich auf Technologie- und Innovationsthemen spezialisiert.