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#Futureshaper

Assistenzroboter in der Medizin: Der Robotik-Innovator

Ingenieur Dr. Chiheb Dahmani und sein Team entwickeln klinische Assistenzroboter, die das Krankenhauspersonal bei Routineaufgaben entlasten sollen. So hat es mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge: die Pflege der Patient*innen.
9min
Katja Gäbelein
Veröffentlicht am 21. März 2025
„Was mich bei der Arbeit mit Robotern fasziniert, ist ihre Fähigkeit, nach einem gewissen Training Dinge autonom zu tun“, sagt Dahmani: „Das ist so ähnlich wie bei Kindern. Wir bringen ihnen etwas bei, und dann tun sie es. Wenn ich das beobachte, freue ich mich darüber.“

Fast augenzwinkernd väterlich spricht Chiheb Dahmani über die „Robbies“, wie das Team die Prototypen der klinischen Assistenzroboter nennt, an denen es im Innovationslabor im oberpfälzischen Kemnath forscht. Da wundert es wenig, dass die „Robbies“ alle Namen haben: Herbert, Patrick, Vanessa und AURORA heißen sie. Natürlich sind diese Namen auch der Geheimhaltungspflicht der Forschungsprojekte geschuldet: Über Herbert und Patrick dürfen wir noch nicht sprechen, über AURORA und Vanessa erfahren Sie in diesem Artikel mehr.

Dahmani ist leidenschaftlicher Medizintechniker und stammt ursprünglich aus Tunesien. Schon früh hat er sich für die Medizin begeistert: „Als Kind wollte ich eigentlich Neurochirurg werden, weil mich das Thema fasziniert hat, aber das hatte mir dann doch zu viel mit auswendig lernen zu tun“, erzählt er schmunzelnd. Also entschied er sich dazu, Ingenieur zu werden, blieb jedoch dem medizinischen Bereich treu: „Es ist mir wichtig, mit meiner Arbeit Menschen zu helfen.“ Nach dem Abitur erhielt er ein Stipendium, um in Deutschland an der Technischen Universität München (TUM) Ingenieurwesen zu studieren. Dort promovierte Dahmani anschließend über den Einsatz magnetischer Nanopartikel in der Medizin.

Seinen beruflichen Karriereweg startete Dahmani mit dem Siemens Graduate Program (SGP), das junge Talente auf eine Karriere bei Siemens vorbereiten soll. Es folgten verschiedene internationale Positionen bei Siemens Healthineers in den Bereichen Innovation, Kooperationsmanagement, Forschung und Entwicklung (F&E) sowie Marktentwicklung, jeweils mit Fokus auf medizinische Bildgebungslösungen. Er arbeitete in Frankreich, Singapur, Japan und Deutschland. Inzwischen leitet Dahmani die Abteilung Technology & Innovation im Bereich Mechatronic Products. Mit einem achtköpfigen Team forscht er unter anderem an robotergestützten Lösungen für Arbeitsabläufe in Krankenhäusern.

Was ist eigentlich ein Roboter? „Ein Roboter ist ganz allgemein gesprochen ein System oder eine Maschine, das bzw. die autonom eine Aufgabe erfüllt, mit einer gewissen Präzision und Wiederholbarkeit, und dafür eine Programmierung benötigt“, erklärt Dahmani. Dabei erfahre das Thema Robotik gerade durch die Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) einen “raketenartigen Beschleunigungsschub”: Maschinelles Lernen ermöglicht es Robotern, aus Erfahrungen zu lernen und ihre Fähigkeiten kontinuierlich zu verbessern. Auf Basis von Großen Sprachmodellen (Large Language Models), die darauf ausgelegt sind menschliche Sprache zu verstehen und zu generieren, können Menschen und Roboter beispielsweiseüber Sprachbefehle natürlicher interagieren. Maschinelles Sehen (Computer Vision) ermöglicht es Robotern zudem, ihre Umgebung zu sehen und zu “verstehen”.

Nahaufnahme. Der Assistenzroboter-Prototyp AURORA übergibt einer menschlichen Hand ein chirurgisches Nahtset. Im Hintergrund ist eine unscharf eine Fensterfront zu erahnen.

„Wir bei Siemens Healthineers sehen Robotik als eine Schlüsseltechnologie für die Zukunft, um unter anderem dem drastischen Fachkräftemangel im medizinischen Bereich entgegenzuwirken“, sagt Dahmani. KI-gestützte medizinische Assistenzroboter könnten beispielsweise in der Pflege, der Diagnostik sowie im Operationssaal zum Einsatz kommen. Dabei könnten die technischen Helfer die unterschiedlichsten Formen annehmen und zahlreiche Aufgaben erledigen, vor allem aber bei zeitraubenden Routinetätigkeiten unterstützen: von der selbst fahrenden Patientenliege, über den mobilen C-Bogen, der während Operationen Röntgenaufnahmen in Echtzeit erstellt, bis hin zum Laborproben-Transport.

Bei der Roboterentwicklung arbeiten Ingenieurinnen und Ingenieure aus den Bereichen Maschinenbau, Elektro- und Systemtechnik mit Fachleuten aus der Software-Architektur, Datenwissenschaft, dem Design und der User-Experience zusammen. Mechatroniker*innen montieren die einzelnen Bauteile, und so entsteht ein Prototyp.


Porträtfoto von Chiheb Dahmani. Er steht vor einem dunklen Hintergrund und lächelt mit verschränkten Armen leicht in Richtung Kamera.

Um einen Roboter zu entwickeln, braucht es nicht nur die Zusammenarbeit verschiedener firmeninterner Expert*innen. Das Team kollaboriert standardmäßig auch mit externen Partnerfirmen aus der Industrie, die auf bestimmte Komponenten wie beispielsweise Kameras spezialisiert sind. Aber auch klinische Kooperationen sind wichtig, betont Dahmani: „Unsere klinischen Partner bieten durch die praktische Anwendung und Erprobung der Roboter unter realitätsnahen klinischen Bedingungen wertvolles Feedback, das entscheidend für deren Optimierung ist.“

Eines der wichtigsten Forschungsprojekte der letzten Jahre ist AURORA, eine Kooperation von Siemens Healthineers mit der Forschungsgruppe für minimal-invasive interdisziplinäre therapeutische Invention (MITI) am Klinikum der Technischen Universität München (TUM Klinikum). Die Bayerische Forschungsstiftung finanzierte das Projekt, das im Jahr 2020 startete. Das Ziel: Einen mobilen Serviceroboter für den nicht-sterilen Bereich des Operationssaals zu entwickeln, der das Operationsteam bei der Bereitstellung von steril verpacktem Material unterstützt und die Rolle des sogenannten „Springers“ einnimmt.

AURORA sei heute bereits in der Lage, mithilfe der integrierten Kameras zwischen Personen in steriler und nicht steriler Kleidung zu unterscheiden und den entsprechenden Abstand zu bestimmen, in dem sie um diese herumfahren muss, erzählt Dahmani. Bei steriler Kleidung sei der einzuhaltende Abstand größer. Künftig soll AURORA noch mehr lernen: „Statt Gestensteuerung wollen wir längerfristig eine Sprachsteuerung auf Basis von Large Language Models integrieren.“ Doch das werde noch viel Training erfordern. Auch eine Erweiterung des Konzepts von AURORA auf einen Einsatz als Assistenzroboter im Katheterlabor werde aktuell bereits erforscht.

Hinter dem Namen „Vanessa“ verbirgt sich ein weiteres Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Helsinki in Finnland. Gemeinsam mit dem Klinikum und externen Industriepartnern von der United Robotics Group testeten Dahmani und sein Team verschiedene Prototypen eines Assistenzroboters für medizinische Labore. Künftig könnten sie beispielsweise im Zusammenspiel mit der Atellica® Solution  eingesetzt werden, die unter anderem Prozesse im Labor automatisiert.

Die Atellica® Solution ist eine flexible, skalierbare Lösung für klinische Chemie und Immundiagnostik. 

Hier erfahren Sie mehr

Der Roboter könnte in medizinischen Laboren in Zukunft gegebenenfalls Routineaufgaben übernehmen, um das menschliche Personal zu entlasten. Beispielsweise könnte er Blutproben oder Reagenzien von einem Ort zum anderen transportieren.

Chemische Substanzen, die in Laboren eingesetzt werden, um bestimmte chemische Reaktionen auszulösen oder Substanzen nachzuweisen.

Dank seiner Wurzeln und seines internationalen Werdegangs spricht Chiheb Dahmani vier Sprachen fließend: Arabisch, Französisch, Englisch und Deutsch. Während eines mehrjährigen beruflichen Aufenthalts in Japan, quasi dem „Mutterland“ der Robotik, hat er nicht nur Japanisch gelernt, sondern auch erkannt, dass verschiedene Kulturen einen ganz unterschiedlichen Zugang zum Thema Roboter haben.

„Wenn wir uns vor Augen führen, dass aus neurowissenschaftlicher Sicht Gefühle letztlich auf elektrischen Signalen beruhen, die im Körper erzeugt werden, scheint die Idee einer Roboterseele gar nicht so weit hergeholt“, ergänzt Dahmani etwas nachdenklich. „Gleichzeitig glaube ich, dass es sehr schwierig, vermutlich sogar unmöglich wäre, menschliche Gefühle künstlich zu reproduzieren.“

Für Dahmani bieten Roboter ein großes Potenzial, Menschen zu unterstützen, und doch könnten sie sie niemals ersetzen, auch und gerade nicht im medizinischen Bereich: „Besonders wenn es mir nicht gut geht, sehne ich mich nach dem Zuspruch von Menschen. Aber der Assistenzroboter kann dafür sorgen, dass ein Mensch Zeit für mich als Patient hat.“

Anders als man vielleicht vermuten könnte, sind die einzigen roboterähnlichen Wesen im Haus von Dahmanis Familie in den Kinderzimmern seiner drei Kinder zu finden. Es gibt nicht einmal einen Staubsauger-Roboter. Dennoch wäre er versucht, einen der humanoiden Roboter auszuprobieren, an denen derzeit verschiedene Roboterschmieden in den USA, Japan oder China forschen – wenn ein solcher Roboter auf dem Markt verfügbar wäre: „So einer wäre schon praktisch, um nach dem Einkauf schwere Kisten vom Auto ins Haus zu tragen oder etwas in diese Richtung“, lacht Dahmani: „Aber auch er wäre für mich niemals ein Ersatz für menschliche Gesellschaft.“


Von Katja Gäbelein
Katja Gäbelein ist Online-Redakteurin und Content Creator für Multimedia-Inhalte bei Siemens Healthineers. Sie ist spezialisiert auf Technologie- und Innovationsthemen.