Bildgebung

"Der wichtigste Schritt seit der Einführung der Mehrschicht-CT“

Die photonenzählende Computertomographie (CT) definiert die klinische Entscheidungsfindung in der Onkologie neu, indem sie Ärzt*innen mit einem einzigen Scan alle relevanten CT-Ergebnisse liefert.
4min
Doris Pischitz
Veröffentlicht am January 3, 2023

Professor Dr. med. Dr. rer. nat. Jiri Ferda spricht über die ersten Schritte mit der neuen Technologie sowohl in der Forschung als auch in der klinischen Praxis.

Jiri Ferda ist Leiter der Abteilung für Bildgebung und Leiter des Instituts für Anatomie an der Medizinischen Fakultät der Karlsuniversität in Pilsen und des Universitätsklinikums Pilsen in der Tschechischen Republik. Er ist in den Bereichen Radiologie, Neuroradiologie, vaskuläre Interventionsradiologie und Nuklearmedizin zertifiziert. Sein beruflicher Schwerpunkt liegt auf CT- und Dual-Energy-Anwendungen sowie auf hybrider Bildgebung mit PET/CT und PET/MRT. Ferda verfügt über 28 Jahre Erfahrung in der CT. Zusammen mit Kolleg*innen aus Pilsen und Forchheim, Deutschland, verfasste er die weltweit erste klinische Publikation über den Einsatz virtueller kontrastloser Bildgebung von intrakraniellen Blutungen mit Dual-Energy-CT und die weltweit erste Publikation über den Einsatz photonenzählender CT im klinischen Umfeld.

Wir haben im Juni 2020 mit der photonenzählenden CT begonnen. Während der COVID-19-Pandemie wurde ein klinischer Prototyp in unserer Abteilung installiert und mit Genehmigung des tschechischen Staatsinstituts für Arzneimittelaufsicht bis Ende 2021 betrieben. Im Februar 2022 wurde das System durch das photonenzählende klinische Dual-Source-System NAEOTOM Alpha1 ersetzt. Wir erwarteten eine bessere Auflösung der Bilder sowie eine bessere Bildqualität dank eines besseren Signal-Rausch-Verhältnisses.

Was echte Einschränkungen angeht, so liegen die Grenzen herkömmlicher Scanner in der räumlichen Auflösung bei dünnen Schichten, denn so können wir nicht gut genug erkennen, wie tief der Tumor in die umliegenden Strukturen eindringt. Außerdem stellt manchmal die Kontrastauflösung im Weichteilgewebe eine Einschränkung dar. Ein Beispiel wäre ein Rektumtumor, der in die Rektumwand eindringt und durch die Muskelschicht in die Adventitia und das umgebende Fettgewebe vordringt.
Photonenzählende CT verbessert sowohl die räumliche als auch die Kontrastauflösung. So können wir sehr dünne Schichten für die Beurteilung verwenden, bis unter 0,5 Millimeter, und die Abschwächung jodhaltiger Strukturen erhöhen, das heißt verstärkter Gewebe- und/oder Gefäßkontrast.

Jiri Ferda reports an improved tumor delineation with photon-counting CT.

Wir können die Tumorinvasion besser abgrenzen und sehr häufig das verstärkte Tumorgewebe durch Gefäßmimikry besser sichtbar machen. Gefäßmimikry ist ein besonderes Verhalten, bei dem Tumorzellen Gefäßräume nachahmen. Die Räume füllen sich mit Kontrastmittel, was auf Niedrigenergie-Bildern zu einer erhöhten Dichte führt, sodass sich die Invasion von Tumorzellen besser erkennen lässt.
Wir sehen besondere Vorteile für Patient*innen bei der Stadienbestimmung von Tumoren im Verdauungstrakt, im Kopf- und Halsbereich und in der Lunge. Die geringere Strahlendosis könnte Patient*innen zugutekommen, die bereits erfolgreich behandelt wurden und nun Nachuntersuchungen benötigen. Eine geringere Kontrastmittelgabe könnte sich als nützlich erweisen, da sie eine weniger invasive Bildgebung ermöglicht und die Kosteneffizienz verbessert.
Spektrale Bildgebung wird für die Beurteilung der Tumorverstärkung und für die Nachverfolgung von Tumoren nach der Therapie von wesentlicher Bedeutung sein. Interessante Anwendungen sind zum Beispiel die Bewertung der Tumorentwicklung und die Beurteilung von weniger durchbluteten Zonen innerhalb des Tumors, womit wir schlechte Medikamentenpenetration und begrenzte therapeutische Wirkung vorhersagen könnten.
Monochromatische Bilder und Jodquantifizierung bei jedem Scan sind für uns von Vorteil, da sie die Bildqualität optimieren. Nachsorgestudien sind in der onkologischen Bildgebung von entscheidender Bedeutung. Die Standardisierung der Enhancement-Beurteilung ist sehr wichtig, um die Tumore selbst und den Befall von Lymphknoten zu beurteilen.
Photonenzählende CT-Untersuchung des Nierensammelsystems
Eines unserer sechs CT-Systeme ist ein photonenzählender CT-Scanner, den wir in einer klinischen Routineumgebung einsetzen. Bei ausgewählten Patient*innen – insbesondere mit Tumoren der Leber, der Bauchspeicheldrüse oder der Niere – führen wir photonenzählende CT-Bildgebung durch.

Ein typisches Beispiel für eine Patientin, bei der die photonenzählende CT den Ausschlag für die Diagnose gab, war eine Frau mittleren Alters mit einer ulzerösen Läsion im Antrum ihres Magens. Mit Hilfe photonenzählender CT konnten wir die Ausdehnung des Tumors auf die Serosa bestimmen und eine Ausbreitung außerhalb des Magens ausschließen.

Eine weitere Patientin war eine Frau mit Hämaturie und Anreicherung eines sehr kleinen papillomatösen Urotheltumors. Dieser winzige Befund ließ sich nur mit Hilfe einer sehr hohen räumlichen Auflösung und einer verbesserten Erkennung von verstärktem Tumorgewebe identifizieren.

Photonenzählende CT-Untersuchung des Magens
Bessere Einblicke in die pathologische Anatomie bzw. Physiologie von Krankheiten könnten einen Wendepunkt darstellen.

Da ich Gelegenheit hatte, die Entwicklung der CT vom SOMATOM DRH zum NAEOTOM Alpha mitzuverfolgen, kann ich mit Gewissheit sagen, dass dies der wichtigste Schritt seit der Einführung der Mehrschicht-CT im Jahr 1998 ist. Und ich bin stolz und fühle mich geehrt, dass ich zusammen mit Thomas Flohr, Bernard Schmidt, Christoph Panknin und anderen diese erstaunliche Technologie mitentwickeln durfte.


Von Doris Pischitz
Doris Pischitz ist Redakteurin in der Unternehmenskommunikation bei Siemens Healthineers. Das Team ist spezialisiert auf Themen rund um Gesundheit, Medizintechnik, Krankheitsbilder und Digitalisierung.