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Nachhaltige Bildgebung am Unispital Basel
Die Medizintechnik bringt bahnbrechende Möglichkeiten in der Diagnose und Behandlung hervor. So unersetzlich diese Technologien auch sind, muss der Gesundheitssektor dennoch – genau wie alle anderen – den ökologischen Fußabdruck dieser Systeme hinterfragen.
Gerade Nachhaltigkeit und Gesundheit sind eng miteinander verbunden. Deshalb müssen Lösungen gefunden werden, um den Energieverbrauch – bei gleicher Qualität – zu optimieren. Das Unispital Basel forscht genau dazu und hat einen Weg gefunden, die Bildgebung in der Radiologie nachhaltiger aufzustellen.
Im Bereich der Computertomographen (CT) ist Hochbetrieb. In einem der Räume wird gerade ein Patient aus der Intensivstation behandelt, wie Prof. Elmar Merkle sofort erkennt. “Das sieht nach einer CT-gestützten Intervention aus“, erklärt der Leiter der Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin des Universitätsspitals Basel. In einem anderen Behandlungsraum trägt das medizinische Personal Maske und zusätzliche Schutzkleidung, denn es herrscht Ansteckungsgefahr: Der Patient ist mit MRSA infiziert, einem Stamm antibiotikaresistenter Staphylokokken. Deutlich ruhiger ist es zwei Gänge weiter bei den Magnetresonanztomographen (MRT), die hauptsächlich für Studien verwendet werden – ein System mit 0,55 Tesla Feldstärke und ein 3-Tesla-MRT. Ebenfalls da, aber unsichtbar bei den elektrischen Leitungen versteckt sind die Messgeräte, die laufend den Stromverbrauch der beiden Scanner registrieren.
Diese Messeinheiten wurden eigens auf Wunsch der radiologischen Abteilung eingebaut und zeichnen den Stromverbrauch jedes Systems zweimal pro Sekunde auf – nicht nur hier, sondern in der gesamten Bildgebung, von jedem MRT bis zu jedem anderen Grossgerät in der Abteilung. Das ist ungewöhnlich: “Lange Zeit wusste niemand, wie viel Energie MRT- und CT-Scanner benötigen“, betont Merkle. Erst die Arbeit seines Teams hat das geändert. “Es ist paradox“, sagt auch Tobias Heye, Leitender Arzt in Merkles Abteilung und der Initiant der Energiemessungen. “Heute trägt jedes TV-Gerät und jede Kaffeemaschine ein Energieeffizienzlabel, aber der Energieverbrauch unserer großen Maschinen in der Bildgebung war bislang kein Thema.“
Prof. Elmar Merkle
Prof. Merkle leitet die Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin des Universitätsspitals Basel in der Schweiz.
Verantwortung wahrnehmen
Inzwischen steht auch das Gesundheitswesen in der Verantwortung, CO2-bewusster und energieeffizienter zu werden. Tatsächlich ist das globale Gesundheitswesen für ganze 4,4 Prozent der gesamten CO2-Emissionen verantwortlich. Wäre das Gesundheitswesen ein Land, es stünde an fünfter Stelle in der Rangliste der größten CO2-Verursacher, wie Merkle manchmal in Vorträgen zeigt. Diesen negativen Einfluss gelte es zu reduzieren, sagt er. “So wie ich das sehe, sind wir Ärzte nicht nur unseren eigenen Patientinnen und Patienten gegenüber verpflichtet, sondern haben eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung: Wir sollten mithelfen eine Welt zu gestalten, die auch morgen noch lebenswert ist.“
Damit hat Merkle in seiner eigenen Abteilung angefangen. Zusammen mit seinem Team analysierte er das Energieprofil der Bildgebung im Detail. Dafür nutzte das Team neben den dicht getakteten Strommessungen auch Daten aus dem Radiologie-Informationssystem sowie die internen Logfiles der Systeme, die Siemens Healthineers dem Team zur Verfügung stellte. In diesen war genau ersichtlich, welche Vorgänge in den Geräten für die gemessenen Strommengen verantwortlich waren.
Aus diesen Daten ermittelte das Team: Ein MRT verbraucht durchschnittlich so viel Strom wie 30 Einfamilienhäuser, wenn man von einen Vierpersonenhaushalt ausgeht. PET/CT-Scanner und Angiografie-Einheiten verbrauchen je das Äquivalent von zehn Einfamilienhäusern, ein CT entspricht sechs Häusern. Am wenigsten verbrauchen die kompakten Ultraschallgeräte, nämlich so viel wie ein halbes Haus. Allerdings gibt es von ihnen am meisten – am Unispital Basel rund 150. “Wenn wir alle unsere Geräte einbeziehen, unter anderem sechs MRT-Scanner, neun Angiografie-Einheiten und fünf CTs, dann verbrauchen wir den Strom von 500 bis 600 Einfamilienhäusern – das ist ein kleines Dorf!“ Elmar Merkle nickt nachdrücklich, dies ist ihm sichtlich wichtig.
Simple Maßnahme: über Nacht runterfahren
Noch 2020 stieß die Publikation dieser Resultate auf wenig Resonanz. Doch dann kam der Ukrainekrieg. Und plötzlich stiegen in Europa die Energiepreise. So zahlte das Unispital Basel 2023 rund 17 Millionen Franken mehr für Strom als noch in den Jahren zuvor. “Die Energiekrise hat dem Thema eine Dringlichkeit gegeben“, sagt Merkle.
Gut also, dass es laut Merkle erstaunlich simpel ist, den Stromverbrauch in der Bildgebung zu reduzieren: “Die Geräte über Nacht ausschalten. Punkt.“ Denn durch seine Analysen wurde auch klar: Einen großen Teil des Stroms verbrauchen die Systeme in Leerlaufzeiten, wenn sie zwar eingeschaltet sind, aber keine Bilder aufnehmen. Beispiel CT: In den Leerläufen zwischen Patient*innen tagsüber und über Nacht verbrauchen die Geräte insgesamt mehr Strom als für die Scans selbst. Ähnliches gilt für MRT-Scanner, obschon hier die Kühlung der Magneten dauerhaft laufen muss. Dennoch: “Auch ein MRT lässt sich über Nacht ausschalten, ohne dass Patienten und Patientinnen davon betroffen wären“, sagt Merkle. Innerhalb von 15 Minuten ist ein MRT morgens betriebsbereit.
“Je nach Workflow ist es sinnvoll, die Geräte sogar über Mittag auszuschalten.“ Bei den Angiografie-Einheiten am Unispital Basel wird das inzwischen so gehandhabt. Ohne Probleme, denn innerhalb von drei Minuten sind die Einheiten an und bereit für die nächsten Patient*innen – das ist auch für zeitsensitive Notfälle schnell genug.
Jetzt fallen die Energiepreise ganz anders ins Gewicht und die Politik diskutiert eine mögliche Energieknappheit.
Prof. Elmar Merkle, Leiter der Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin des Universitätsspitals Basel in der Schweiz
Den Sweet-Spot finden, das ist Nachhaltigkeit
Merkle wünschte sich, dass auch Bildgebungsabteilungen an anderen Krankenhäusern und auch weitere Abteilungen diesen Sweet-Spot bewusst suchen. Und er hofft, dass das Bewusstsein fürs Energiesparen auch nach der Energiekrise bleibt. Denn: “Wenn ich durch eine energieeffizientere Bildgebung Geld spare, kann ich dieses auch wieder sinnvoll einsetzen, etwa für mehr Pflegekräfte oder technische Mitarbeitende, um den Fachkräftemangel zu entschärfen – und so gesamthaft nachhaltiger arbeiten.“
Der Abteilungsleiter tauscht sich regelmäßig mit Siemens Healthineers zum Thema Energieverbrauch in der Bildgebung aus. Ein Fortschritt war für ihn der «Eco Power Mode» für MRT-Scanner, der in Leerlaufzeiten die Kühlung energiesparender steuert. Allein damit lässt sich laut seinen Messungen das Äquivalent von zwei Einfamilienhäusern an Strom sparen – pro System. Er wünscht sich aber, dass die Hersteller generell intensiver daran arbeiten, den Stromverbrauch ihrer Systeme zu reduzieren, etwa die relativ hohen Leerlauf-Ströme von MRT-Scannern oder der PET-Komponenten bei PET/CT-Systemen. Merkle ist überzeugt: “Wenn die Großen der Branche die Energieeffizienz zum Thema machen, dann wird sehr vieles möglich.“
Nachhaltigkeit am Unispital Basel
- Seit 2021 gibt es am Universitätsspital Basel (USB) eine Fachstelle mit der Aufgabe, das Spital in allem Belangen nachhaltiger zu machen. Sie verfasst regelmäßig einen Nachhaltigkeitsbericht, der die wesentlichen Informationen und Ziele in puncto Nachhaltigkeit im Spital enthält. Die Fachstelle führt Informationsanlässe zum Thema durch und plant Maßnahmen am Spital. So hat das USB beispielsweise als erstes Spital der Schweiz bei der Patientenverpflegung auf die MicroPast®-Methode umgestellt. Dabei werden die Gerichte in der Großküche gekocht, pasteurisiert und luftdicht verpackt. Das verbessert die Effizienz der Produktions- und Servierprozesse und den ökologischen Fußabdruck: CO2-Emissionen, Wasserverbrauch, Menge an Lebensmittelabfällen – all das ist in Vergleich zu vorher gesunken. Künftig will das USB in den Personalrestaurants zudem zwei zusätzliche vegetarische oder vegane Menüs pro Woche anbieten. Eine wichtige Maßnahme war 2023 die Gründung eines Ökofonds. Und: Zurzeit arbeitet das Spital darauf hin, vermehrt medizinische Einweg-Artikel mit wiederverwendbarem Material zu ersetzen, beispielsweise bei Scheren oder Pinzetten.