Digital Twin

Patient Twin: Warum Sophia keine Angst vor Krebs mehr hat

Unsere Technologievision zeigt, wie künstliche Intelligenz und Patient Twinning die Krebstherapie revolutionieren könnten. Lernen Sie Sophia kennen, eine Patientin aus der Zukunft.
10min
Katja Gäbelein
Veröffentlicht am September 2, 2024
Krebs bleibt eine der größten Bedrohungen für die Gesundheit. Doch könnten vernetzte Schlüsseltechnologien, künstliche Intelligenz (KI) und das Konzept des digitalen Patient*innen-Zwillings auf Basis akkurater Daten den gesamten Ablauf der Krebstherapie revolutionieren und die Behandlungsergebnisse für Patient*innen innerhalb der nächsten zehn Jahre signifikant verbessern. Wie? Das erfahren Sie in unserer Technologievision.

Porträtfoto von Peter Aulbach vor orangefarbenem Hintergrund. Er trägt einen Vollbart und einen Anzug und lächelt in die Kamera.  	Portrait photo of Peter Aulbach against an orange background. He wears a full beard and a suit and smiles into the camera.

Neugierig geworden? Erfahren Sie nun, wie die Entwicklung der Medizintechnik im Bereich der Krebstherapie der näheren Zukunft aussehen kann – und zwar anhand der Geschichte unserer fiktiven Patientin Sophia. Dazu ein Hinweis: Natürlich gibt es viele verschiedene Krebsarten und zahlreiche Behandlungsmöglichkeiten, über die sich unser Innovationsteam Gedanken gemacht hat. In dem folgenden Abschnitt wird nur EIN mögliches Szenario vorgestellt, das veranschaulichen soll, wie ein zukünftiges Produkt- und Lösungsangebot die Krebsbehandlung verbessern könnte.

Sophia hatte nicht nur Glück im Leben. Die 58-Jährige bekam vor zwei Jahren die Diagnose Lungenkrebs, genauer gesagt NSCLC. [1] Vor einigen Monaten bildete der Krebs weitere Tochtergeschwülste in Leber und Wirbelsäule, sogenannte Oligometastasen. Ein Schock für Sophia und ihre Familie.

Ein nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom oder Lungenkarzinom, abgeleitet vom Englischen: "non-small-cell-lung-cancer".

Zum Glück konnten alle Tumore zunächst erfolgreich behandelt werden. Deshalb kann Sophia ihre Krankheit im Alltag inzwischen gut ausblenden. Sie fühlt sich recht sicher: Ihr Gesundheitszustand wird durch regelmäßige Check-Ups mit ihrem Ärzt*innen-Team aus Onkolog*innen und Radiolog*innen, speziellen Apps auf ihrem Smartphone und moderne Medizintechnik überwacht. Und mithilfe von künstlicher Intelligenz natürlich. 
Sämtliche medizinischen Daten, die während Sophias Behandlungen gesammelt werden, fließen in das digitale Modell der Patientin ─ ihren digitalen Patient*innen-Zwilling ─ ein. Die KI wertet ihre Daten kontinuierlich in Echtzeit aus, um Voraussagen über die Entwicklung von Sophias Gesundheitszustand treffen zu können. Large Language Models helfen dabei, ungeordnete Daten zu strukturieren und in medizinische Berichte im passenden Sprachduktus für Sophias Hausarzt, ihre Onkologin, oder für Sophia selbst umzuwandeln.

Auf KI basierte Sprachmodelle, die die Fähigkeit zur textbasierten Kommunikation zwischen Mensch und Maschine besitzen. Sie können Texte generieren, zusammenfassen und übersetzen. Dafür werden sie mit großen Datenmengen trainiert.
Unbewegtes 3D-Rendering. Wir sehen eine halbtotale Einstellung eines petrolfarbenen, fluiden Körpers mit menschlichen Umrissen, der für einen digitalen Patient*innen-Zwilling steht. Orangefarbene Bläschen, die einen Datenstrom symbolisieren, fliegen durchs Bild in Richtung des Körpers.

Die Daten werden auch genutzt, um medizinische Geräte, mit denen Sophia untersucht wird, optimal auf ihre individuellen Bedürfnisse einzustellen. Dies führt nicht nur zu einer präziseren Behandlung, sondern spart auch dem medizinischen Personal Zeit und Kapazität.

Das digitale Modell der Patientin kennt Sophias Behandlungsverlauf und den weiteren Plan, den sie mit ihren Ärztinnen und Ärzten abgestimmt hat. Es weiß über ihre persönlichen Vorlieben und ihre familiäre Situation Bescheid. Über eine App auf ihrem Smartphone erinnert es Sophia daran, wann welche Untersuchung oder Therapie ansteht. Basierend auf wissenschaftlichen Empfehlungen bietet es Tipps und Tricks, wie sie sich vor, während und nach der jeweiligen Behandlung für ein besseres Allgemeinbefinden verhalten kann. 

Die Daten aus Sophias digitalem Patient*innen-Zwilling helfen nicht nur ihr selbst: Sophia hat sich bereit erklärt, sie zu spenden ─ natürlich anonymisiert. Die Daten werden in eine riesige Datenbank eingespeist, die zum Training von KI-Algorithmen eingesetzt werden kann. So wird die KI-basierte Entscheidungsfindung immer weiter verbessert.

Ren-Yi Lo leitet unser Big Data Office und "dirigiert" gemeinsam mit ihrem Team riesige Datenmengen. Unsere Wissenschaftler brauchen diese Daten, um neue KI-Lösungen für die Medizintechnik zu entwickeln.
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Künstliche Intelligenz hilft medizinischen Zentren, Therapieerfolge zu simulieren – für eine bessere Auswahl des nächsten Schrittes. Frühwarnungen, basierend auf den Daten, ermöglichen es den Zentren, Termine für Checks, Diagnostik und Folgetherapien zu planen, aber auch Engpässe in der Therapiekapazität zu prognostizieren und ihre Personalplanung entsprechend anzupassen.

Einmal pro Woche führt Sophia morgens nach dem Zähneputzen eine Flüssigbiopsie (Liquid Biopsy) durch, ein Test, um Krebszellen im Blut zu erkennen Das Blut dafür entnimmt sie sich durch einen einfachen „Pieks“ in den Finger selbst.

Heute schlägt die KI des tragbaren Biosensor-Gerätes Alarm: Die Biosensoren haben Auffälligkeiten bei den Blutwerten gefunden, die auf ein Fortschreiten ihrer Krebserkrankung hinweisen könnten. Zeitgleich sendet die KI eine Warnmeldung an Sophias medizinisches Team und schlägt eine Strategie für das weitere Vorgehen vor. Sophia ist besorgt.

Die leitende Onkologin ruft Sophia direkt an und beruhigt sie. Auf Basis der Empfehlung der KI entscheidet sie gemeinsam mit Sophia, dass der nächste diagnostische Schritt eine Computertomographie (CT) sein soll. Die KI der Patient-Twinning-App auf Sophias Smartphone identifiziert das beste CT-Gerät für ihre Untersuchung. Die KI prüft verfügbare Ressourcen und vereinbart mit Sophia einen Termin für den CT-Scan, inklusive genauer Ortsangabe und Anfahrts-Optionen. Sophia weiß sogar bereits, wer genau sie am CT empfangen und untersuchen wird.

Femke de Theije und ihr Team haben Atellica VTLi entwickelt, ein handgehaltenes Biosensor-Gerät, das hochsensitive Troponin I-Ergebnisse in nur acht Minuten liefert und so eine schnellere Diagnose und Behandlung von Herzinfarkt-Patient*innen ermöglicht.
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Halbtotales Porträtfoto von Ulrike Attenberger. Sie hat halblanges, dunkelbraunes Haar, trägt einen weißen Arztkittel und lächelt in die Kamera. Im Hintergrund ist unscharf das Klinikgebäude des Universitätsklinikum Bonn zu erkennen.    	Medium close-up portrait photo of Ulrike Attenberger wearing half-long, dark brown hair, a doctor's white lab coat and smiling into the camera. A blurred image of the Bonn University Hospital building is visible in the background.

Was denken Mediziner*innen über digitale Zwillinge in der Krebstherapie?

„Für die Präzisionsmedizin werden digitale Zwillinge unerlässlich sein,“ sagt Ulrike Attenberger. Hier lesen Sie ein Interview mit der Professorin und Leiterin der Klinik für Radiologie am Universitätsklinikum Bonn.


Zwei Tage später macht sich Sophia auf den Weg zu ihrem CT-Scan. Auf Basis der Daten des digitalen Patient*innen-Zwillings, der bereits die aktualisierten Daten aus dem Bluttest gespeichert hat, ist der Scanner optimal auf ihre Bedürfnisse eingestellt – noch bevor Sophia überhaupt die Praxis betritt.

Der medizinische Technologe vor Ort muss die automatisch vorgenommene Geräteeinstellung nur noch kurz überprüfen und bestätigen. Das könnte er sogar über seinen Rechner zu Hause oder unterwegs mit dem Tablet tun: die moderne Technik ermöglicht es, dass auch in abgelegenen Gegenden oder Regionen mit medizinischem Personalmangel jederzeit komplexe medizinische Untersuchungen durchgeführt werden können.

Klinikpersonal, das von zuhause aus arbeitet? Dank unserer intelligenten Technik ist das heute bereits möglich. Lesen Sie die Geschichte von Stefanie Hajduga, einer Medizinischen Technologin für Radiologie.

MTR im Homeoffice

Der Scanner, den die KI für Sophia empfohlen hat, ist ein photonenzählender CT. Zu seinen Vorteilen gehören unter anderem eine reduzierte Strahlendosis und eine verbesserte Bildqualität. [4] Die besonders hochauflösenden und kontrastreichen Bilder des Scanners helfen dem medizinischen Personal, kleine Details und Unterschiede in Geweben zu erkennen und somit die Tumorinvasion abzugrenzen. Im Zusammenspiel mit KI können aus den Daten durch Radiomics weitere wichtige Informationen über den Tumor gewonnen werden.

Diese Technologie gibt es heute schon: Mit dem photonenzählenden CT hat Siemens Healthineers eine radikal neue Technologie für die klinische Routine entwickelt.
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Ein medizinisches Fachteam kümmert sich um Sophia: Onkolog*innen verschiedener Disziplinen arbeiten von unterschiedlichen Standorten aus zusammen. Virtuell nehmen sie an einer Tumorkonferenz teil – quasi einem digitalen „runden Tisch“. Ziel ist es, basierend auf allen bisher erfassten Daten aus Sophias digitalem Patient*innen-Zwilling eine sichere Diagnose für sie zu stellen und weitere Therapieoptionen zu bewerten. 

Alle Informationen sind in Form eines Avatars der Patientin visuell aufbereitet. Virtual Reality (VR)- und Augmented Reality (AR)-Headsets helfen dem medizinischen Personal, die vielschichtigen Informationen besser zu verstehen und mit ihnen zu interagieren. 

Leider bestätigt sich der Verdacht: Der photonenzählende CT zeigt im Zusammenspiel mit der KI, die im Abgleich mit älteren CT- und Magnetresonanztomographie (MRT)-Scans von Sophia sowie Scans aus einem großen Datenpool anderer Patient*innen Muster identifiziert, was das menschliche Auge noch nicht erkennen kann: In Sophias linkem Lungenflügel wächst ein neuer Tumor.

Unbewegtes 3D-Rendering. Wir sehen in einer halbnahen Einstellung den abstrakt dargestellten digitale Zwilling der Lunge innerhalb des fluiden Körpers. Im rechten Lungenflügel sind inaktive Tumore als transparente Bläschen dargestellt. Im linken Lungenflügel sieht man den digitalen Zwilling eines aktiven Tumors, der schwarz-rot mit Feuerglühen dargestellt ist.
Für XR Senior Key Expert Anton Ebert sind diese beiden Bereiche untrennbar verbunden. Lesen Sie, welche spannenden Anwendungsmöglichkeiten es bereits gibt und noch geben könnte.
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Zum Glück ist der Tumor noch in einem sehr frühen Stadium. Der Avatar zeigt, wo genau er lokalisiert ist. Auf Anfrage erhalten die Mediziner*innen zusätzlich weitere Daten, etwa zu Sophias Vitalzeichen, zu Laboruntersuchungen und Genomik. Alle Informationen werden automatisch in Sophias elektronischer Patientenakte, ihrer ePA, gespeichert.

Eine Datenbank, in der Gesundheitsdaten von Krankenversicherten über medizinische Vorgeschichte, Behandlungen, Medikamente, Allergien etc. gespeichert werden können.

Die KI stellt anhand des Avatars mögliche Therapieansätze vor, damit das medizinische Team schnell über die weitere Behandlung entscheiden kann: Unter anderem hat sie anhand von genetischen Mustern in komplexen Berechnungen mithilfe von Radiomics einen digitalen Zwilling des neuen Tumors erstellt. 

Diese Vorgehensweise sorgt dafür, dass der Patientin möglichst wenig Gewebeproben entnommen werden müssen. Die Therapie kann schneller und zielgerichteter erfolgen. Auf Basis des digitalen Zwillings des Tumors und des digitalen Zwillings der Patientin prognostiziert die KI, wie wahrscheinlich es ist, dass der Tumor auf die verschiedenen Therapieformen anspricht und mit welchem Erfolg. Kann Sophia aktuell eine Kryoablation [6] oder eine Bestrahlung besser helfen?

Ein medizinisches Verfahren, bei dem extrem kalte Temperaturen eingesetzt werden, unter anderem um Tumore zu vereisen und damit zu zerstören. Es kommt meist dann zum Einsatz, wenn eine chirurgische Tumor-Entfernung nicht möglich ist.

Basierend auf den errechneten Wahrscheinlichkeiten und unter Berücksichtigung der erwarteten Nebenwirkungen sowie der Kosteneffizienz gibt die KI dem medizinischen Team Therapieempfehlungen.

Sobald die Mediziner*innen sich einig sind, wird Sophia in die Konferenz geschaltet. Mithilfe eines Large Language Models hat die KI die komplexen medizinischen Informationen für die Patientin leicht verständlich aufbereitet. Die Ärztinnen und Ärzte informieren Sophia über die empfohlenen nächsten therapeutischen Schritte und Risiken. Das verschafft Sophia Klarheit und nimmt ihr die Unsicherheit. Schließlich entscheidet sich Sophia für eine KI-gestützte Bestrahlungstherapie.

Tumor still image

Vor der Einführung von KI-optimierten Arbeitsabläufen war die Planung einer Strahlentherapie ein langwieriger Prozess, der für Patient*innen oft mehrwöchige Wartezeiten bedeutete. Dank KI-Unterstützung können die Behandlungsplanung und Sophias Bestrahlung nun innerhalb weniger Stunden am selben Tag erfolgen, um keine kostbare Zeit zu verlieren.

Die KI plant die Auslastung, koordiniert Termine, unterstützt bei der detaillierten Planung der Bestrahlungstherapie und stellt auf Basis der Daten der Patientin alle Geräte präzise auf Sophias Bedürfnisse ein.

Ein interdisziplinäres Team arbeitet bereits intensiv daran, den gesamten Workflow der aufwändigen Strahlentherapie-Planung durch KI zu optimieren, um Wartezeiten drastisch zu verkürzen. Lesen Sie die Geschichte unseres Konzeptentwicklers Fernando Vega.
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Dann generiert die KI einen digitalen Zwilling speziell für die Strahlentherapie: Dafür werden die Daten aus Sophias Avatar, z. B. durch Daten aus den aktuellen CT- und MRT-Scans sowie aus der KI-gestützten Erkennung (Autokonturierung) der Risikoorgane, die bei der Bestrahlung geschont werden sollen. Denn die möglichst genaue Feststellung der Grenzen zwischen tumorösem und gesundem Gewebe ist ein wichtiger Faktor für den späteren Behandlungserfolg.

Auf Basis der präzisen Daten werden mithilfe der KI Höhe und Verteilung der Bestrahlungsdosis berechnet. Die zuständige Fachkraft für Radioonkologie kontrolliert alle von der KI erzeugten Ergebnisse, bevor die tatsächliche Behandlung startet.

Sie wird mithilfe von speziellen Software-Algorithmen durchgeführt. Diese sind in der Lage, Organe und andere anatomische Strukturen auf den medizinischen Scans automatisch zu identifizieren und zu segmentieren. In diesem Bereich kann Künstliche Intelligenz schon heute helfen.
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Die KI hat berechnet, dass Sophia über mehrere Wochen verteilt insgesamt 25 Bestrahlungseinheiten erhalten sollte. Ihre erste Bestrahlung startet gleich. Basierend auf den Daten des Behandlungsprotokolls ist der Linearbeschleuniger (LINAC) bereits so eingestellt, dass er exakt die errechnete Einzeldosis abgibt. 

Der LINAC hat eine integrierte Bildgebungsfunktion und erstellt während der Behandlung weitere medizinische Bilder. Er erkennt, wie sich die Weichteile und Organe bewegen, und kann diese Bewegungen ausgleichen. Die in den LINAC integrierte Sensorik und KI berechnen Sophias Atmung und Atempausen bei der Bestrahlung mit ein. Dank der Bild- und KI-Unterstützung kann die Strahlendosis präzise auf den Tumor konzentriert werden, während das umliegende Gewebe geschont wird. Noch während der Behandlung können die Mediziner*innen bei der Qualitätskontrolle sehen, ob sie erfolgreich war.

Der LINAC nutzt Elektrizität, um u.a. hochenergetische Gammastrahlen zu erzeugen. Eine der häufigsten Anwendungsmöglichkeiten ist die Behandlung von Krebs durch die Zerstörung von Krebszellen. Erfahren Sie mehr über unsere Bestrahlungssysteme.
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Für die zweite Bestrahlungsdosis einige Tage später hat die KI den digitalen Zwilling für die Strahlentherapie bereits auf die Ergebnisse der ersten Dosis hin ausgewertet. Sie empfiehlt eine Behandlungsanpassung in Bezug auf die Dosisverschreibung. Der Radioonkologe entscheidet, die vorgeschlagene angepasste Strahlendosis für die zweite Teilfraktion zu akzeptieren. Nach Rücksprache mit Sophia gibt er das Protokoll frei.

Bereits vor etwa einem Jahr musste Sophias Lebertumor behandelt werden. Damals griffen ihre Ärzt*innen nach Anraten der KI auf eine transarterielle Chemoembolisation (TACE) zurück.

Auch bei der TACE unterstützte die KI im Zusammenspiel mit anderen Schlüsseltechnologien: Im Vorfeld schlug sie dem medizinischen Team die passenden Führungsdrähte und Katheter sowie das beste Embolisationsmaterial für den gezielten Gefäßverschluss vor. Gleichzeitig überprüfte die KI, ob das benötigte Material im Bestand des Krankenhauses verfügbar war. Bei der Angiographie zur Embolisation der Blutversorgung des Tumors empfahl die KI die korrekte Injektionsstelle, die Zugangsrouten und den besten Winkel für den C-Arm.

Noch weiter in der Zukunft könnte Patient*innen wie Sophia vielleicht ein Operations-Angio-Roboter in einem spezialisierten medizinischem Zentrum helfen. Unter ständiger Steuerung und Überwachung durch das medizinische Fachpersonal, das aus der Ferne jederzeit eingreifen kann, könnte der Operations-Angio-Roboter den Katheter automatisch durch die Blutgefäße führen und die notwendigen Medikamente sowie Materialien für den Gefäßverschluss des Tumors injizieren. So könnten schwierige, seltene und zeitkritische Eingriffe auch in abgelegenen, ländlichen Gebieten angeboten werden.

Ein Röntgengerät, das an einem Gelenk montiert ist, so dass es sich um die Patient*innen herum drehen kann. So können bei der Angiographie genaue Bilder der Blutgefäße für die Führung des Katheters erstellt werden.

Sollte Sophia einen minimalinvasiven operativen Eingriff brauchen, könnten die Mediziner*innen mittels Virtual Reality den Eingriff im Vorfeld inszenieren und simulieren. So könnten sie wertvolle OP-Zeit sparen und das Risiko von Komplikationen während des Eingriffs minimieren. Im OP selbst käme Augmented-Reality-Headsets zum Einsatz, damit die Ärzt*innen alle wichtigen Infos über Sophias Gesundheitszustand jederzeit im Blick haben.

Die Informationen in ihren Headsets würden die Operateur*innen durch den Eingriff navigieren. Expert*innen, die nicht vor Ort sein können, könnten über das Headset dazu geschaltet werden, um ihre Einschätzung abzugeben. Während des Eingriffs böte die KI Entscheidungsunterstützung in Echtzeit: So könnte der Fortgang der OP simuliert und frühzeitig Empfehlungen oder Warnungen gegeben werden, wenn die KI Abweichungen vom geplanten Vorgehen oder eine sich anbahnende Komplikation erkennt.

Wie geht es Sophia einige Wochen später? Ihre Bestrahlungstherapie ist abgeschlossen. Die aktuellen Auswertungen ihres Avatars bestätigen, dass der Tumor in ihrer Lunge erfolgreich bekämpft werden konnte.

Sophias Leben geht weiter. Doch ihr Krebs ist eine chronische Erkrankung, die sie selbst, ihre Ärztinnen und Ärzte wachsam beobachten: Sophia teilt ihren Gesundheitszustand über die App auf ihrem Smartphone regelmäßig mit ihrem Behandlungsteam, geht zuverlässig zu den Nachsorgeuntersuchungen, an die sie die App erinnert, und macht wöchentlich ihren Bluttest zuhause.

Das gibt es heute schon: Noona ist eine App für das Management von Patientenergebnissen, die Patient*innen die aktive Beteiligung an ihrer Therapie ermöglicht, z.B. die Meldung von Symptomen in Echtzeit und direkten Kontakt zum Behandlungsteam.
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Sophia fühlt sich gut umsorgt: Sobald es auch das kleinste Anzeichen für eine Verschlechterung ihres Zustandes gäbe, würde ihr digitaler Zwilling sie selbst und ihre behandelnden Ärzt*innen sofort warnen. Die KI würde, gemeinsam mit ihrem medizinischen Team, eine evidenz-basierte, personalisierte Behandlungsalternative für Sophia finden. Und ihr weiter dabei helfen, ihren Gesundheitszustand zu „managen“.


Damit ein digitaler Patient*innen-Zwilling und intelligent vernetzte Schlüsseltechnologien irgendwann Realität werden können, braucht es mehr als innovative, technische Entwicklungen und Visionen: zum Beispiel eine zuverlässige digitale Infrastruktur, die den kontinuierlichen Austausch medizinischer Daten ermöglicht. Die Voraussetzungen dafür müssten bereits heute in den Gesundheitssystemen und Krankenhäusern geschaffen werden, damit Patient*innen und medizinisches Personal in Zukunft davon profitieren können.


Von Katja Gäbelein
Ein interdisziplinäres Team von über 200 Fachleuten hat unter der Leitung von Peter Aulbach in einer Reihe von Workshops eine Technologievision auf co-kreative Weise entwickelt. Der Ingenieur und Doktor der Gesundheitswissenschaften arbeitet im Bereich Innovation Strategy and Ecosystem (TE ISE) und leitet das Siemens Healthineers Innovation Center in Erlangen. Katja Gäbelein hat die Technologievision in eine Patientengeschichte „übersetzt“ und erzählt. Sie ist Redakteurin für Multimedia-Inhalte bei Siemens Healthineers und spezialisiert auf Technologie- und Innovationsthemen.